Lesbische Liebe – und wieder zurück!
Meine Landsleute sind eigentlich ein konservatives Volk, doch wenn man auf Familienfesten hört, wer es mit wem getrieben hat und wer nun schon wieder ein Bambino erwartet, dann könnte man meinen, die alten Römer feiern ein Fest und die Mädchen tanzen auf den Tischen.
Ganz anders sieht es aus, wenn bekannt wird, dass ein Bambino schon vor der Ehe passiert ist. Böse Zungen behaupten, dass sich eine solche Neuigkeit von Florenz bis nach Palermo in Windeseile verbreiten würde.
Italien ist eben ein konservatives Land.
Unlängst habe ich Rebecca getroffen – eine wirklich kapriziöse, schöne Frau. Ich fragte sie, ob ihre Liebe glücklich ist und wann sie ein Kind zur Welt bringen würde. Rebecca war erstaunt, dass Giovanni, immerhin Frauenversteher aus Italien, so viel Interessantes gar nicht weiß…
Den Begrifft „Homosexualität“ wollen die Italiener weder aufgezeigt noch vorgelebt bekommen. Zu oft wird dabei an Dinge gedacht, die Männer mit Männern so machen und dabei wird dem konservativen Italiener sehr schnell seine liberale Grenze aufgezeigt.
Anders ist es, wenn all die sabbernden italienischen Männer an Sex zwischen zwei Frauen denken. Nicht mal Weihnachten und Ostern zusammen können dieses Glücksgefühl erreichen und spätestens hier und jetzt siegt der Liberalismus über den Konservatismus…
Giovanni: Rebecca, du bist 28 Jahre alt, stammst aus Bologna, lebst aber schon einige Jahre in Wien. Was hat dich von Italien nach Wien gebracht?
Rebecca: Eigentlich war es die Liebe, die mich nach Wien geführt hat.
Giovanni: Die Liebe zu Wien?
Rebecca: Wien ist eine wunderschöne Stadt, aber ich bin wegen meiner damaligen Liebe nach Wien gekommen.
Giovanni: Du nennst den Grund „wegen deiner damaligen Liebe“ – was zugleich bedeutet, dass es diese Liebe nicht mehr gibt?
Rebecca: Das ist richtig. Andrea und ich waren viereinhalb Jahre zusammen, aber dann haben wir uns getrennt.
Giovanni: „Andrea“ ist in Italien ein Männername, im deutschsprachigen Raum ein Frauenname. Du warst also mit einer Frau zusammen.
Rebecca: Andrea war 18, ich war 19 – wir waren eher noch Mädchen.
Giovanni: Wo hast du Andrea kennen gelernt?
Rebecca: Andrea war in Italien, um Urlaub zu machen. Sie hat Bologna und Florenz besucht. Obwohl ich aus Bologna komme, haben wir uns in Florenz kennen gelernt.
Giovanni: Erzähl mal – wie habt ihr euch kennen gelernt?
Rebecca: Es war bei einer Kirche an einem Tag, an dem es drückend heiß war. Als dann ein Gewitter gekommen ist, haben wir uns alle untergestellt und dabei haben Andrea und ich uns kennen gelernt. Ich war sofort von ihr fasziniert, denn sie war ein total jungenhafter Typ mit großen Kulleraugen. Wenn sie gelacht hat, dann konnte man fast alle ihrer Zähne sehen. Sie hatte ein strahlendes Lächeln.
Giovanni: Andrea war also ein sehr jungenhafter Typ – du bist eindeutig ein sehr femininer Typ. Man könnte fast sagen: eine rassige Italienerin mit sehr schönen, weiblichen Kurven.
Rebecca: Das hast du sehr nett gesagt. Vielen Dank. Ja, Andrea war eben so, ich war anders. Wahrscheinlich haben wir uns deshalb auch sofort so gut verstanden.
Giovanni: Wie ist es mit Andrea weitergegangen?
Rebecca: Andrea wollte am übernächsten Tag nach Venedig und dann zurück nach Wien. Ich wollte zwar zurück nach Bologna, aber dann merkte ich sehr schnell, dass es eine große Chance für mich sein könnte, wenn ich auch nach Venedig mitkommen würde.
Giovanni: Und dann seid ihr gemeinsam nach Venedig gefahren?
Rebecca: Ja, wir waren dann gemeinsam in Venedig. Doch Andrea musste einige Tage später nach Trient, weil sie dort den Bus nach Wien nehmen musste. Ich habe sie noch nach Trient gebracht und dann haben wir uns wirklich in letzter Minute, vor dem Bus, getrennt.
Giovanni: War das schmerzhaft?
Rebecca: Es war ganz sicher schon schmerzhaft, denn obwohl wir Kontaktmöglichkeiten ausgetauscht hatten, war ich mir unsicher, ob und wie sehr es Andrea ernst mit mir meint.
Giovanni: Sie hat es aber ernst gemeint, denn wenig später bist du nach Wien gekommen.
Rebecca: Es ist alles sehr schnell gegangen. Wir hatten täglich stundenlang telefoniert, unsere Telefonrechnungen waren sehr hoch und auf einmal meinte Andrea, dass ich auch in Wien studieren könnte. Sie hat mit drei schwulen Männern in einer WG gewohnt und sagte mir, dass in wenigen Wochen ein Zimmer frei werden würde.
Giovanni: Du hast dieses Zimmer genommen?
Rebecca: Ich bin nach Wien gefahren und wollte Andrea sehen. Alles andere war mir total egal. Ich hatte Angst, dass mir Wien nicht gefallen könnte, doch dann sind Andrea und ich schon in den ersten Tagen durch die Stadt gegangen und ich war doppelt verliebt - in Andrea und in die Stadt.
Giovanni: Warum hattest du Angst, dass dir Wien nicht gefallen könnte?
Rebecca: Weil Wien im Vergleich zu den italienischen Städten wie Bologna, Florenz oder Venedig viel größer ist. Ich glaube, alle drei Städte zusammen haben so viele Einwohner wie Wien alleine. Ich hatte Angst, dass mich diese Stadt erdrücken wird, denn ich studierte zwar in Bologna, aber ich komme aus einem Dorf in der Nähe von Padua. Dort kennt jeder jeden. Ich war vorher noch nicht mal in Rom, noch nie in einer großen Stadt – deshalb hatte ich Angst.
Giovanni: Wie hat das Zusammenleben mit Andrea und den schwulen Mitbewohnern geklappt?
Rebecca: Es hat wunderbar geklappt. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Wir hatten so viel Spaß. Christian und Lukas konnten meine Sprache, ich konnte aber kein Deutsch. Sie haben es mir gelernt.
Giovanni: Die Zeit mit Andrea war also glücklich?
Rebecca: Ja, sie war sehr glücklich. Wir waren überall ein Vorzeigepaar, wenn wir ausgegangen sind.
Giovanni: Warum geht eine so glückliche Beziehung in Brüche?
Rebecca: Das weiß ich bis heute nicht so genau. Andrea ist nach etwa dreieinhalb Jahren immer distanzierter geworden. Ich spürte, wie sie sich von mir weg lebt. Ich habe ihr das gesagt, doch sie hat immer beteuert, dass ich mich irre, übersensibel bin. Aber eines Tages ist sie zu mir gekommen und hat die Beziehung beendet.
Giovanni: Das muss sehr hart gewesen sein.
Rebecca: Es war sehr hart, aber ich hatte schon monatelang das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt und habe mich „auf diesen Tag X“ vorbereitet. Natürlich kann man sich nicht total darauf vorbereiten, aber es ist mir ansatzweise gelungen. Das tatsächliche Ende hat mich dann nicht so sehr überrascht.
Giovanni: Konntest du in der Wohnung bleiben oder musstest du ausziehen?
Rebecca: Ich konnte bleiben, denn Andrea hat ihre Koffer genommen und ist ausgezogen. Christian und Lukas wollten, dass ich bleibe.
Giovanni: Diese Geschichte nimmt spätestens jetzt eine spannende Wende – denn es sollte kein Interview mit einer Lesbe bleiben.
Rebecca: Das ist richtig – ich habe Thomas kennen gelernt.
Giovanni: Wer ist Thomas?
Rebecca: Thomas ist der beste Freund von Christian und als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich mir, dass er zwar attraktiv, aber strohdumm ist. Thomas gehört zu dieser Sorte Mensch, die Solarium gebräunt mit dem Cabrio durch die Stadt fährt, dabei laut Musik hört und sich jeder Passant fragt, von welchem Baum dieser Mensch gerade kommt. Ich habe Thomas schrecklich gefunden. Ich habe ihn richtig abgelehnt. Er war mir anfangs total zuwider.
Giovanni: Wie ist dann aus einer Aversion dein Interesse gewachsen?
Rebecca: Ich war mit Christian und Lukas auf einer Party. Thomas war auch dort und hat für den Gastgeber nette Geschenke mitgebracht. Ich hab dann aber gesehen, dass sich alle über Thomas lustig machten. Im direkten Gespräch lachten zwar alle mit ihm, hinter seinem Rücken lachten sie aber alle über ihn. Er hat mir wirklich leid getan, weil er zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich angenehmer war, als ich ihn am Anfang kennen gelernt hatte.
Giovanni: Wie hat er sich verändert, dass du ihn plötzlich fast mochtest.
Rebecca: Ich weiß gar nicht, ob er sich verändert hat, oder ob ich beim Kennen lernen einfach nur besonders negativ eingestellt war. Er war für mich auf einmal ein attraktives Würstchen, das nirgends ernst genommen wurde. Das hat ihn auch wieder sympathisch gemacht. Er hat eine tolle Wohnung, ein tolles Auto – aber er hat sich das alles selbst erarbeitet. Die Neider sehen so etwas aber nicht.
Giovanni: Wie bist du mit Thomas zusammengekommen?
Rebecca: Das hat monatelang gedauert und eines Tages meinte Thomas, dass er sich – wenn er nicht wissen würde, dass ich auf Frauen stehe – in mich verlieben könnte. Da schaute ich ihm in seine Augen – sein Blick wirkte so unbeholfen – und dann küsste ich ihn.
Giovanni: War es dein erster Kuss mit einem Mann?
Rebecca: Nein, natürlich nicht. Ich habe auch schon in der Schulzeit mit Jungs geküsst – aber mit einem Mann noch nie.
Giovanni: Inzwischen sind wieder vier Jahre vergangen und du und Thomas…
Rebecca: …ja, wir sind verheiratet und ich bekomme im Mai mein erstes Baby.
Giovanni: Junge oder Mädchen?
Rebecca: Das wollen wir nicht wissen – wir lassen uns überraschen.
Giovanni: Du lebst nun monogam – fehlt dir deine Bisexualität?
Rebecca: Sie fehlt mir nicht, weil Tom mich glücklich macht. Ich wünsche mir außerdem, dass unsere Liebe endlos hält. Aber ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass jede Beziehung ein Ablaufdatum hat. Spätestens mit dem Tod. Deshalb will ich nicht ausschließen, dass ich mich jemals wieder in eine Frau verlieben könnte.