Im Zug nach Warschau...

Als waschechte Berlinerin war ich nicht wirklich oft in die ehemaligen Ostblockstaaten gereist. Ich weiß nicht, aber die Stimmung dort hat mir nie gefallen, es reichte mir, wenn ich in Brandenburg unterwegs war, da sah ich oft genug Relikte aus der Zeit des Warschauer Paktes.

Nun musste ich beruflich tatsächlich nach Warschau.

Polen – wie wir wissen.

Im Zug hatte ich ein Sechser-Abteil ganz für mich alleine.

Der Zug rollte aus dem Berliner Hauptbahnhof, ich hatte noch Snacks und Getränke gekauft, machte mich gerade über ein Wurst-Brötchen her, als auch schon der Zugbegleiter kam und die Tickets kontrollieren wollte.

„Guten Abend, ihre Fahrkarte, bitte!“, wurde ich begrüßt.

Ich gab dem Herrn, der mir irgendwie bekannt vorkam, mein Ticket, er entwertete es – und ging weiter.

Hmmm, das Gesicht des Mannes kam mir so bekannt vor. Sehr bekannt. Auch die kleine Narbe rechts auf der Wange – die hatte ich schon mal gesehen.

Der Zug rollte Richtung polnischer Grenze – nächste Station war Frankfurt an der Oder.

In Frankfurt stiegen viele junge Menschen ein, einige von denen waren wohl aus Polen, die einen Tagesausflug in den Westen machten – wenn ich das so boshaft formulieren darf.

In meinem Abteil saßen nun zwei Jungs und ein Mädchen, sie sprachen das polnische Kauderwelsch und aßen Burger von Mc Donalds – was ich ja hasse, weil dann das ganze Abteil danach stinkt. Okay, ein Wurst-Brötchen ist jetzt auch nicht gerade ein Duft von Chanel aber die Burger stinken ganz klar noch mehr.

Wieder kam der Zugbegleiter und fragte nach den Tickets. Ich beobachtete ihn und wie vom Blitz getroffen fiel es mir ein – das ist Jakob, mein ehemaliger Schulkollege, in den alle Mädchen verliebt waren, der damals aber noch nicht gut Deutsch konnte und somit die Klasse wiederholen musste.

Zwei Jahre später hatte ich dann mal was mit ihm.

„Jakob?“, fragte ich ihn.

„Kennen wir einander?“ - entgegnete er mir.

„Wiebke, ich bin Wiebke – Schule in Charlottenburg. Mit dem Rohn als Deutschlehrer.“

„Wiebke? Du bist Wiebke? Echt jetzt?“

Das klang wie „Alles Müller, oder was?“

„Ja, ich bin Wiebke, Mann, wie lange ist das her? 20 Jahre?“

„Warte, ich muss durch den Zug, dann komme ich zu dir“, meinte Jakob.

Jakob war irgendwie arm, denn als er ein Junge war, hieß er ebenso „Jakob“ – und wir fragten uns oft, wie es ihm seine Eltern antun konnten, den kleinen Jungen Jakob zu nennen, während unsere Jungs „Karsten“, „Lars“ oder „Sebastian“ hießen.

Da war auch Jakob wieder.

„Möchtest du mitkommen? Ich habe ein Abteil für mich alleine, da können wir quatschen.“

Ich kam mit.

Wir waren nun schon an der Grenze, denn die Fahrt von Berlin zur polnischen Grenze dauert kaum anderthalb Stunden.

Jakob und ich quatschten drauflos, als ob wir uns gestern gesehen hätten. Ich fragte ihn, was er denn bei der Bahn machen würde, denn ein Traumjob konnte das nicht sein und Jakob meinte, dass er immer Zugfahrer und Zugbegleiter werden wollte, weil das auch sein Vater war.

Jakob müsste jetzt aussteigen, weil die Bahn die Mitarbeiter wechselt. Nach der Grenze: polnische Zugbegleiter.

Mann, ich kann mich noch erinnern, wie sexy unser Sex vor 20 Jahren war. Jakob war ein toller Liebhaber. Das hatte sich in der Schule herumgesprochen und deshalb waren viele Mädchen an ihm interessiert. Ich sage nur: 20+ Zentimeter. Da machte es auch nichts aus, dass Polen ein verstaubtes Image bei uns hatte, Jakob leerte uns, dass manche Jungs aus Polen wirklich viel zu bieten haben.

„Was, du musst aussteigen?“, war ich enttäuscht.
„Ja, ich sollte – aber ich kann noch eine Station mit dir fahren und dann zurückfahren.“

Ich war begeistert!

Wir quatschten weiter und der Zug rollte ungebremst auf die nächste Station, Posen, zu.

Nun sprach ich Jakob auf unseren Sex an – ja, er konnte sich noch erinnern.

Jakob meinte, dass ich damals ziemlich scheu war, was ich ja heute auch noch bin – ich hätte Jakob allerdings gerne nochmals flachgelegt.

Nun waren wir fast schon in Posen – und Jakob hatte mich noch immer nicht flachgelegt.

Wir quatschen und quatschten und quatschten und Jakob hatte noch immer diesen polnischen Akzent.

Er erzählte mir, dass er 11 Jahre verheiratet war, einen Sohn hat, vier Jahre lang bei der polnischen Bahn gearbeitet hatte, ehe er zur Deutschen Bahn übergelaufen ist und nun drei Mal so viel verdient, dass er eine Wohnung in Berlin Marzahn hat und dass er wohl nie reich werden würde.

Ich erzählte ihm, dass ich eine eigene Agentur führe, eine 100m2 Wohnung in Berlin-Charlottenburg habe, noch nie verheiratet war und auch keine Kinder habe, dass mein Vater an Krebs gestorben ist und dass ich nun in Warschau einen Termin haben werde.

Der Zug rollte und rollte, gar nicht mal so langsam, für polnische Verhältnisse, wir kamen Kilometer um Kilometer näher zu Warschau. 

Wir tranken nun Kaffee und aßen Kuchen im Zug-Restaurant, wir bestellten Prosecco und tranken ihn wie Wasser.

Schon konnten wir die ersten Häuser in Warschau sehen.

In der polnischen Hauptstadt angekommen, war ich gleich mal paff, als ich die vielen Hochhäuser und Wolkenkratzer um den Bahnhof herum sah. Mann, das sah nicht aus, wie in Berlin, das sah aus, wie in New York.

Ich war wirklich nicht darauf eingestellt, wie modern diese Stadt ist. Wahrscheinlich hatte ich modrigen Sozialismus-Charme erwartet – ich wurde enttäuscht.

Jakob und ich gingen ins Hotel, es war das Hotel Marriott, welches gleich beim Bahnhof seinen Sitz hat. Mir fiel sofort ein, dass ich ein Doppelzimmer gebucht hatte – als ob ich geahnt hätte, dass Jakob mitkommen würde.

Wir gingen auf mein Zimmer und es sah gut aus, hatte einen atemberaubenden Fernblick auf den Kulturpalast und die Glaspaläste herum, es war nun schon fast dunkel, in der Dämmerung sah das wirklich toll aus.

Ich kann mich nur wiederholen: so hatte ich das nicht erwartet.

Jakob umarmt mich – von hinten.

Ich stand also vor dem Fenster, Jakob hinter mir und ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. Er hauchte mir ins Ohr, dass ich noch immer sexy bin – wobei ich das doch wusste ;-)

Wir hatten beschlossen zu duschen, weil wir ja doch einige Stunden im Zug saßen und Jakob schon seit dem frühen Morgen auf den Beinen war, also bot ich an, zuerst ins Bad zu gehen, was Jakob jedoch etwas ungestüm ablehnte und meinte, dass wir gemeinsam duschen sollten.

Es dauerte immerhin fünfzehn Sekunden, bis er mich dazu überreden konnte.

Jakob und ich duschten, rieben uns gegenseitig mit Duschgel ein, spielten an unseren Nippel, wir benahmen uns wie Kleinkinder, küssten uns, rieben uns nochmals mit Duschgel ein, das Wasser aus der Dusche roch ein wenig nach Chlor, aber das konnte unserer romantischen Prosecco-Stimmung nichts anhaben.

„Du bist eine umwerfend schöne Frau“, meinte Jakob. Natürlich war mir das klar – aber wer hört das nicht gerne???

Dann trockneten wir uns ab.

Wir gingen in unser Wohnzimmer zurück, welches fast 50m2 groß war und Jakob scherzte, dass seine ganze Wohnung in Marzahn kleiner wäre.

Wir bestellten Sekt und Snacks auf das Zimmer und wenige Minuten später kam ein süßer polnischer Junge und brachte unsere Bestellung.

Wir tranken weiter und irgendwie hatte ich Hunger, aber ich wollte keine Snacks, sondern eine richtige Mahlzeit, ein richtiges Dinner.

Jakob stimmte mir zu, er meinte, dass wir „danach“ Essen gehen sollten.

Danach... - so so...

Wir begannen uns wieder zu küssen, zu liebkosen, aneinander zu spielen, wir rieben unsere Körper aneinander, wie es Menschen sonst nur tun, wenn sie ein Fußballspiel des FC Barcelona verlassen, wir hauchten und leckten und küssten, dass es nur so eine – polnische – Freude war.

Jakob fickte mich, ich selbst lag nur da, wie die Ware auf dem Förderband in einem Supermarkt, bevor sie gescannt wird. Aber es gefiel mir – denn Jakob war gut, sehr gut.

Wir trieben es also gut 2 Stunden und es war wirklich toll. Jakob war noch immer der leidenschaftliche, stürmische Latin-Lover mit polnischem Pass, wie er auch damals war. Mit 16.

Am Ende waren wir so fertig, so müde, dass wir zuerst meinten, wir sollten im Hotel etwas essen. Aber es war nun erst 21:00 und irgendwie wollte ich doch etwas von der Stadt sehen.

Der Abend war dann noch sehr nett, wir besuchten ein gutes Restaurant, hatten auch noch zwei Cocktails – gegen 2 Uhr kamen wir zurück ins Hotel.

Jakob musste am nächsten Morgen den Zug zur Grenze nehmen, weil er arbeiten musste, ich hatte meinen Termin, der sehr erfolgreich war, blieb dann noch einen Tag in Warschau, sah mir die Stadt an, die wirklich ganz anders war, als ich erwartet hätte. Sie ist eine Reise wert, vielleicht keine Stadt, in die ich immer wieder fahren würde, aber zwei oder drei Mal ist das wirklich interessant.

Jakob und ich trafen uns immer wieder und auch seine Wohnung in Marzahn ist nicht so schlecht, wie ich dachte. Terrasse in Berlin – wer hat das schon? Sex hatten wir inzwischen oft, zwar sind wir nicht ineinander verliebt, aber sehr gute Kumpels – with benefits, wie man heute so schön sagt :)