ER WAR DER HÄSSLICHSTE...

Unlängst bekam ich auf Facebook eine Freundschaftsanfrage von einem Namen, der mir bekannt vorkam. Ich dachte mir, diesen Namen kenne ich doch. Und dann fiel mir ein – das war eine ehemalige Schulkameradin, von der ich schon 25 Jahre nichts gehört hatte.

Wir chatteten drauflos und sie meinte, dass ein Klassentreffen stattfinden sollte, wo wir uns alle im ehemaligen Café treffen sollten, wo wir die Schule geschwänzt hatten.

Ich hatte ein gemischtes Gefühl – einerseits war ich neugierig, was aus meinen ehemaligen Kollegen geworden ist, andererseits hatte ich schon jetzt viel zu viel zu tun und eigentlich gar keine Zeit, um einen ganzen Abend bei einem solchen Treffen zu verbringen.

Der Tag des Treffens war dann gekommen und ich machte mich schön.

Ich dachte mir: okay, die Erwartungshaltung wird wohl bei allen gleich hoch sein. Jeder will wissen, was aus dem Anderen geworden ist. Da muss man schon auch gut aussehen und einen guten Eindruck machen.

Mein neues Kleid von DIOR hatte an diesem Abend Premiere, davor ging ich noch zum Friseur und zur Maniküre. Auch meine neuen Schuhe sollten endlich getragen werden.

Auf dem Weg zum Klassentreffen ging ich die Liste der Namen durch, die unser Lehrer tagtäglich am Morgen vorlas. Er begann mit A und endete tatsächlich mit Z, weil wir auch einen „Zöhrer Thomas“ in unserer Klasse hatten.

Als ich beim Treffen ankam, saßen schon einige von damals an den Tischen.

Ich stellte mich vor, war auch neugierig, wer die Anderen waren, denn wirklich erkennen konnte ich so gut wie niemanden.

Es gab sehr viele A-ha-Erlebnisse und irgendwie war das alles auch ein klein wenig süß.

Wir saßen schon herum, quatschten, bestellten das Essen, hin und wieder standen wir auf, gingen herum, dann formten sich kleine Grüppchen – wir hatten das ganze Hinterzimmer für uns.

Sechsundzwanzig waren wir nun hier -  damals waren wir zweiunddreißig. So viele fehlten also nicht.

Auf einmal ging die Tür auf und ein wirklich gut aussehender Mann begrüßte uns.

Ich sah an den Gesichtern der Frauen, dass sie von diesem Mann angetan waren. Es waren bewundernde Blicke, gemischt mit Interesse und Neugierde.

„...und wer bist Du?“, fragte Roswitha, die schon in der Schule nie auf den Mund gefallen war.

„Thomas, Tom, bin ich“, sagte dieser selbstbewusste Mann.

Hmmm, Thomas?

Da gab es doch nur den Zöhrer, der mit 130kg mehr rollte, als ging, der immer fettes Haar hatte und zwischen seinen T-Shirts und der Jeans oft 10cm bauchfrei hatte, weil sein Shirt nicht genug Stoff vorweisen konnte.

„Thomas Zöhrer?“, fragte ich.

„Exakt“, antwortete Tom.

„Wow, na du hast dich ja verändert“, brachte es Roswitha auf den Punkt.

„Ja, ich habe ein wenig abgenommen“, sagte Tom fast entschuldigend und zugleich lächelnd.

Der weitere Abend verlief dann interessant, ich konnte erfahren, dass unter meinen ehemaligen Kollegen von der Hausfrau mit zwei Kindern über die Bankangestellte bis zur Agenturbesitzerin (das war ich – haha) wirklich alles vertreten war.

Auch das Essen war gut und diesmal aßen wir nicht Toast oder Würstchen, wie damals, als wir noch Schüler waren, sondern auch das ehemals schlichte Café hatte sich zum Café- Bistro-Restaurant gewandelt.

Dann talkte ich mit Tom.

Tom erinnerte sich daran, dass nur ich und dann noch Vaclav, der damals mit seinen Eltern von der Tschechoslowakei nach Deutschland kam, ihn nie hänselten.

Wir halfen Tom.

Ich fand es immer schon total daneben, andere Menschen zu mobben. So intelligent war ich schon als Schülerin.

Später wurde dann auch Vaclav wegen seinem tschechischen Akzent gemobbt und sie alle sagten, dass er wie der Biene-Maja-Sänger klingt. 

Tom und ich mochten uns auch damals, auch wenn wir ein ungleiches Freundespaar waren. Denn da war Tom, der eben tatsächlich buchstäblich fett war und nie frisch geduscht roch – und da war ich, die immer adrett und nett zur Schule erschien, ein wenig ein Sonnenstrahl-Image hatte und später auch zur Schulsprecherin gewählt wurde.

Aber wie Tom nun so da stand – groß war er ja damals schon, aber er war schlank, leicht sportlich, sein Gesicht hatte männliche Kanten, sein Kinn war ausgeprägt, seine Augen wohl damals schon so strahlend blau, aber niemandem war es aufgefallen, Jeans, weißes Hemd, Ärmel aufgekrempelt, als würde er damit sagen wollen, „Los, zieh dich aus, ich lege dich flach.“

In weiterer Folge kam heraus, dass Tom geschieden ist, nun seit zwei Jahren schon Single, dass er eine eigene IT-Firma hat, am Stadtrand in einem Häuschen wohnt und so weiter.

Der Abend verging schneller, als gedacht und gegen 23 Uhr verabschiedeten wir uns alle. Wir standen zwar noch gut ein halbes Stündchen vor dem Lokal und scherzten und tauschten eifrig Nummern und addeten uns auf Facebook, Viper und WhatsApp, aber dann waren wir eben alle auf unseren Wegen nach Hause.

Als ich im Auto saß, ging mir Tom nicht mehr aus dem Kopf.

Ich dachte mir: „Soll ich ihn anschreiben?“ „Wie sieht das aus?“ „Wie wird er reagieren?“

Schon schrieb ich eine Message am Facebook Messenger.

Tom freute sich und machte mir schon in den ersten Zeilen Komplimente, was für eine tolle Frau ich geworden bin und dass er mich wirklich mag.

Ich fragte Tom, ob er müde sei und er verneinte.

„Morgen ist Samstag, sollten wir noch was trinken gehen? Hast Du Lust?“, fragte mich Tom.

„Klar!!!!“, antwortete ich.

Wir trafen uns mit unseren Autos beim Shoppingcenter und von dort fuhren wir in die City - ich fuhr hinter Tom her.

In einer Cocktail-Bar tranken wir Cocktails, quatschten, lachten, sinnierten über die anderen Kollegen...

Die Stunden vergingen – und wir waren schon etwas beschwipst.

„Sind wir nicht zu betrunken, um mit dem Auto nach Hause zu fahren?“, fragte ich Tom. „Ja, wir sollten die Autos hier stehen lassen und ein Taxi nehmen“, antwortete Tom.

Gesagt, getan.

Im Taxi nannte er seine Adresse und ich widersprach ihm nicht.

Schon seltsam, denn ich sollte wohl mitkommen, ohne dass dies besprochen worden wäre. Wie ein Paar, ein Couple, hatten wir einen Abend in der City und fahren nun in unsere gemeinsame Wohnung.

Schon komisch – das Ganze ;-)

Tom´s Wohnung war dann wirklich modern und stylisch eingerichtet, wir saßen auf dem Sofa, tranken noch eine Flasche Sekt und inzwischen war es schon fast hell geworden.

Ich fragte Tom, ob ich mich frisch machen könnte und er meinte, dass ich auch duschen könnte.

Kurz stellte ich die Gegenfrage: „Rieche ich?“ Und Tom antwortete: „Du riechst immer gut – genau so gut wie damals in der Schule.“

Na das hatte was...

Ich duschte also und auch Tom kam wie selbstverständlich ins Bad. Wie schon davor im Taxi schien es so, als wären wir ein Couple, das eben hier wohnt und sich alles teilt.

Tom war selbstbewusst - so kannte ich ihn gar nicht. Da sieht man, was es ausmacht, wenn ein Mensch sich in seinem Körper wohl fühlt.

Tom kam näher, er umarmte mich, wir küssten uns.

Das alles ging so schnell und wohl auch, weil wir beschwipst waren.

Wir rieben unsere Körper aneinander und wurden heftiger und heftiger.

„Ich will mit dir schlafen“, meinte Tom.

Langsam gingen wir – umarmt – unter die Dusche, standen unter dem Wasser, das über unseren Körper ran, wir küssten uns, befummelten uns...

Tom´s Körper war gut, aber man sah an der Haut an seinem Bauch, dass er mal sehr, sehr schwer gewesen ist. Sein Bauch war nicht straff, aber auch nicht störend. Seine Zähne schienen wohl gebleicht zu sein – denn sie waren mehr als strahlend weiß. Obwohl auch er den ganzen Abend nicht geduscht hatte, roch er frisch und männlich.

Wir duschten.

Inzwischen war es Tag geworden und die Vögel zwitscherten.

Wir legten uns ins Bett und machten dort weiter, wo wir im Bad aufgehört hatten. Dann hatten wir Sex. Hemmungslosen Sex. Auch leidenschaftlichen Sex.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals so guten Sex gehabt zu haben...

8:38 war es inzwischen geworden – und noch immer hatten wir nicht geschlafen.

Nun stand im Raum, ob wir ein wenig schlafen sollten, oder ich nach Hause fahren sollte.

Zwei oder drei Stunden sollten wir schlafen, lautete die Entscheidung.

Als ich meine Augen öffnete, war es 17:11 geworden.

Unglaublich!

Normalerweise kann ich tagsüber nie schlafen und jetzt hatte ich tatsächlich etwa 8 Stunden neben Thomas gepennt.

Als ich mich im Bett bewegte, weckte ich auch Tom – und dieser lächelte mir entgegen.

„Guten Morgen“, grinsten wir!

Wir beschlossen dann ins Bad und etwas Essen zu gehen. Wir waren mächtig hungrig geworden.

Fazit: ich blieb auch noch den ganzen Abend, die ganze Nacht, den ganzen nächsten Morgen und auch noch über Mittag bei Tom, bis ich am Nachmittag zu mir nach Hause fuhr.

Fast 48 Stunden war ich nun von zu Hause weg geblieben und ebenso viele Stunden war auch mein Kleid von DIOR mit mir. Zwar trug ich zwischendurch Tom´s T-Shirts – aber dennoch war ich froh, aus dem Kleid zu kommen.

Von nun an trafen Tom und ich uns alle 10 Tage bis 3 Wochen und aus uns sind die berüchtigten „Friends with Benefits“ geworden.

Das ist gut für beide, denn wir geben einander alles, was wir brauchen, sind aber auch frei und unabhängig.

Der dicke Thomas, „die Walze“, wie sie ihn genannt haben und ich – wie sich Menschen verändern können ist schon sehr interessant...