Der kleine, fette Luigi ist wohl der beste Liebhaber!

Ein Frauenversteher ist ein Mensch, der Frauen versteht. Diese simple Logik ist wohl selbst den unlogisch Denkenden angeboren.

Wenn ich mit Frauen spreche, merke ich, dass ich viele dieser Frauen nicht nur linguistisch gut verstehe, sondern auch ihre Erzählungen empfinden und nachvollziehen kann.

Das macht Giovanni eben zum Frauenversteher.

In meinem Heimatland Italien gäbe es linguistische Probleme, Frauen aus meiner Wahlheimat Österreich zu verstehen – doch die alltäglichen und sinngemäßen Erzählungen der Frauen sind überall auf dieser Welt gleich…

Unlängst habe ich Elvira getroffen.

Elvira ist eine bildhübsche Russin, die vor einigen Jahren ihre Heimat verlassen hat, um nach Giovanni dem Frauenversteher zu suchen…

…dachte ich.

Giovanni: Elvira, hast du Russland verlassen, um Giovanni zu finden?
Elvira: Natürlich. Nachdem du damals wieder nicht russischer Präsident geworden bist, sondern dieser Vladimir Putin, habe ich Russland verlassen.
Giovanni: Ich wäre ein sehr guter Präsident geworden. Ich würde die Frauen und die Männer meines Landes verstehen.
Elvira: Das kann ich mir gut vorstellen.
Giovanni: Scherz beiseite – warum hast du Russland den Rücken zugekehrt?
Elvira: Weil ich nicht mehr in diesem Land leben wollte. Vieles ist nach dem Zerfall der Sowjetunion noch schlimmer geworden. Natürlich ist das Land heute wohlhabender denn je, aber die Kluft zwischen den armen Leuten und den reichen Leuten ist noch größer geworden.
Giovanni: Wie muss man das verstehen?
Elvira: Früher hat es viele Arme und einige Reiche gegeben – heute gibt es nur noch extrem viele Superarme und auch sehr viele Superreiche. Es gibt kaum noch eine Mittelschicht. Wer nicht seine Ellenbögen einsetzt, kann schon sehr schnell superarm wie eine Kirchenmaus sein.
Giovanni: Nun würde ich die Umschreibung „super“ eher für positiv behaftete Adjektive verwenden. Du meinst also, dass die Menschen „extrem“ oder „sehr“ arm oder reich sind?
Elvira: Genau. Entschuldige, aber mein Deutsch ist noch nicht so gut.
Giovanni: Dein Deutsch ist besser, als es manch Österreicher spricht. Würdest du dich eigentlich als eine Art „Wirtschaftsflüchtling“ bezeichnen?
Elvira: In verschiedenen Kreisen – auf Ämtern oder in Ministerien – würde diese Umschreibung vielleicht zutreffen, aber wenn man viele Jahre lang in Russland gelebt hat, dort am eigenen Leib gespürt hat, wie korrupt vieles ist, dann kann man nicht nur davon sprechen, dass die Menschen Russland aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.
Giovanni: Du bist nun in Europa unterwegs und managst männliche und weibliche Models. Mit welchen Zielen?
Elvira: Meine Kartei umfasst inzwischen fast achthundert Personen aller Nationalitäten, welche ich dann für verschiedene Aufträge zur Verfügung stelle.
Giovanni: Zum Beispiel?
Elvira: Zwei meiner Models drehen eben einen Werbespot für einen französischen Mobilfunkbetreiber. Er stammt aus Barcelona, spricht kein Französisch, sie stammt aus der Slowakei, spricht kein Französisch. Aber der Werbespot wird in 18 Ländern gezeigt und im Werbespot werden die Darsteller  in der jeweiligen Landessprache nachgesprochen.
Giovanni: Es handelt sich also um eine Modellagentur?
Elvira: So kann man es nennen, wenngleich ich eigentlich in keiner Agentur arbeite, also in keinem Büro, sondern meine Models alle über einen einzigen Laptop mit täglicher Datensicherung verwalte.
Giovanni: Woher nimmst du die Models?
Elvira: Ich habe viele Seiten im Internet und dadurch bewerben sich auch viele Models für die jeweilige Sache. Ich vermittle auch Models für Jobs als Go-Go oder auch für seriöse Veranstaltungen.
Giovanni: Ein Go-Go ist demnach kein seriöser Job?
Elvira: Jeder Job, mit dem man ehrliches Geld verdienen kann, ist ein seriöser Job. Aber natürlich macht es einen Unterschied, ob man für achtzig Euro in der Stunde als GoGo arbeitet, oder ob man für mehrere Tausend Euro pro Tag bei einem Werbespot mitmacht, der in halb Europa gezeigt wird.
Giovanni: Vermittelst du auch Models für Jobs in der Sex-Branche, beziehungsweise für Sex?
Elvira: Für Jobs in der Sex-Branche habe ich ca. ein Dutzend Models. Die meisten von diesen Models sind aus Osteuropa. Für Sex als solchen vermittle ich aber keine Models.
Giovanni: Wie geht so eine Vermittlung vor sich?
Elvira: Ich habe – wie bereits erwähnt – verschiedene Webseiten im Internet. Jede Webseite ist für eine spezielle Branche. Und über jede Webseite kann man dann die angebotenen Models buchen.
Giovanni: Wenn beispielsweise eine Pornoproduktionsfirma ein Model von deiner Webseite für Sex buchen will, geht das über dich – obwohl du nirgends auf dieser Welt ein Büro hast?
Elvira: Ich habe mein Büro im Kopf und in meinem MacBook.
Giovanni: Du kannst von diesem Job leben?
Elvira: Ich lebe sehr gut. Ich fliege durch ganz Europa, wohne in den besten Hotels und verdiene an den Aufträgen meiner Models eine Provision.
Giovanni: Die Models bezahlen dich?
Elvira: Nein, die Auftraggeber bezahlen mich und ich bezahle dann die Models. Sie kriegen zwischen 60 und 75% - je nach Vertragsvereinbarung. Wenn man pünktlich zahlt, dann sind alle zufrieden. So einfach klappt das dann auch.
Giovanni: Wo wirst du in den nächsten drei bis vier Wochen sein?
Elvira: Heute, morgen und übermorgen bin ich in Wien, dann drei Tage in Mailand, dann vier Tage in Düsseldorf, dann wieder einige Tage in Wien, danach stehen noch Rom, Paris, Barcelona und Madrid auf dem Programm…
Giovanni: Ist das nicht stressig?
Elvira: Für viele ist es stressig. Auch für meine Freundinnen. Aber ich brauche den Stress, er hält mich fit und jung. Ich könnte kein normales Leben führen.
Giovanni: Wo hast du deinen eigentlichen Wohnsitz?
Elvira: Ich habe Eigentumswohnungen in Wien und in Rom, sowie eine kleine Mietwohnung in Paris. Diese Wohnung will ich aber auch kaufen.
Giovanni: Wenn du so viel herumreist – hast du überhaupt Zeit für eine Beziehung, für einen Mann?
Elvira: Ich habe nicht die Zeit, die beispielsweise eine Ehefrau hat, wenn sie mit dem Mann unter einem Dach wohnt. Ich könnte mir auch nie vorstellen, gemeinsam mit einem Mann unter einem Dach zu wohnen. Ich dachte immer, dass ich irgendwann sesshaft werde, Kinder haben will. Nun bin ich aber 38, die Geschäfte laufen immer besser, ich bin in ganz Europa zu Gast, besuche alle Opern – und Theaterhäuser, die man sich vorstellen kann und möchte eigentlich nichts an meinem Leben ändern.
Giovanni: Liebe und Sex?
Elvira: Ich habe zwei oder drei Männer, dauerhaft, mit denen habe ich auch Sex. Mir fehlt also nichts.
Giovanni: Zwei oder drei Männer? Die wissen voneinander?
Elvira: Natürlich, denn ich habe nichts zu verbergen. Meine Männer sind Lebemänner, wie ich eine Lebefrau bin. Da gibt es keine Eifersucht. Nur Vertrauen. Und wenn ich morgen in Rom landen würde, weiß ich, dass mich Luigi, so heißt er, erwarten wird. Und wenn ich übermorgen in Düsseldorf lande, wird Jan, übrigens ein Tscheche, der in Köln lebt, extra von Köln nach Düsseldorf fahren, um mich vom Flughafen abzuholen. Nur mit Sergej, einem Russen in Paris, habe ich Probleme – aber das ist eben die russische Mentalität. Wir streiten uns immer wieder.
Giovanni: Worüber streitet ihr euch?
Elvira: Über alle möglichen Dinge. Sergej ist aus Russland weggegangen, weil es ihm dort nicht gefallen hat. Ihm hat nichts gefallen. Auch die Mentalität der Russen nicht. Nun lebt er aber in Paris und lebt dort selbst die russische Mentalität. Warum ist er dann aus Russland weg gegangen? Seine Ansichten sind oft „russisch“ und unsere Gespräche scheitern oft an seiner kalten, sturen Art. Ich bin eine Geschäftsfrau, aber ich bin ein warmer Mensch. Ich kann mit Kälte nicht umgehen.
Giovanni: Luigi, Jan und Sergej – drei Männer für Elvira…
Elvira: Aber ich bin keine – wie sagt man – Bitch.
Giovanni: Welche Vorzüge schätzt du an deinen Männern?
Elvira: Luigi ist ein typischer Italiener…
Giovanni: …wie ich?
Elvira (lacht): …noch viel typischer. Er ist klein, hat ein kleines Bäuchlein und ist behaart, wie ein Affe. Ich nenne ihn oft „Danny“, weil er Danny De Vito ähnlich sieht. Er ist ein herzensguter Mensch, der immer für mich da ist, wenn ich ihn brauche. Jan ist genau das Gegenteil von Luigi. Jan ist groß, trainiert, ein Hüne. Man sagt oft, dass solche Typen „typisch Deutsch“ sind. Jan ist aber ein Prager. Sergej ist an sich ein Mensch, der sehr kreativ ist. Er ist künstlerisch begabt und mein jüngster Mann. Er ist 28. Aber durch sein Wesen - er kann sehr aufbrausend und cholerisch sein - ist er der Mann, zu dem ich mich momentan weniger hingezogen fühle…
Giovanni: Lieben italienische, tschechische oder russische Männer besser?
Elvira: Ich habe italienische Männer nie probiert – nur Luigi. Ebenso tschechische Männer nicht. Die russischen Männer sind aber übel. Sergej ist zwar nicht übel, aber die anderen russischen Männer, die ich hatte, waren alle übel. Sie sind machohaft. Aber nicht liebenswert machohaft, wie es Italiener oder Spanier sind, sondern rüpelhaft. Für sie ist eine Frau nur ein Loch, wo sie ihren Schwanz hineinstecken können. Gefühle gibt es da keine. Die russischen Männer haben ihre Gefühle verlernt. Vielleicht die jungen Männer, die noch am Anfang ihres Liebeslebens stehen, haben noch Wertvorstellungen von Gefühlen, Liebe, Sex. Aber die Typen, die erfolgreich sind, sind im Liebesleben oft genau so brutal oder kalt, wie im Berufs- oder Geschäftsleben.
Giovanni: Wurdest du schon von einem Mann geschlagen?
Elvira: Ich hatte einen Freund in Moskau, der war im realen Leben ein unglaublich liebenswerter Mensch und überall sehr beliebt. Er war sogar ein ruhiger Mensch. Fast zu ruhig. Aber wenn er manchmal mit seinen Freunden ausgegangen ist, sich sinnlos besoffen hat, weil sein Leben langweilig war, dann ist er oft nachts gekommen und hat mich angeschrien. Ich habe mir das aber nicht gefallen lassen und ihm immer wieder meine Meinung gesagt. Und dann hat er zugeschlagen. Ich wusste, dass er mich schlagen würde, wenn ich ihm meine Meinung sage, aber ich wollte es nicht still erdulden, wie er mich behandelt. Eines Tages ist er betrunken gestürzt und mit dem Kopf gegen eine Mauer gefallen. Er war sofort tot.
Giovanni: Und wer war nun dein bisher angenehmster oder bester Liebhaber?
Elvira: Ein toller Liebhaber ist für mich nicht einer, der sein Ding besonders gut hineinsteckt und ich dabei jauchze oder stöhne, sondern ein Mensch, bei dem ich mich – nicht zuletzt beim Sex – von A bis Z wohl fühle. Wenn ich also deine Frage ernsthaft beantworten soll, muss ich sagen, dass wohl der kleine, fette Luigi der beste Liebhaber ist, den ich jemals hatte.
Giovanni: Luigi ist klein, Luigi ist fett – du bist groß, schlank, hast Modellmasse. Wird eure Beziehung oft belächelt?

Elvira: Natürlich wird unsere Beziehung manchmal belächelt, aber nur dumme Menschen lachen über das Glück anderer Menschen. Vielleicht aus Neid? Dumme Menschen und Menschen, denen der Neid aus den Augen blickt, nehme ich aber nicht ernst. Solche Menschen würde ich nicht mal strafen wollen – weil sie sowieso schon genug gestraft sind…